Grundsätzlich steht Verbrauchern bei Fernabsatzverträgen oder Haustürgeschäften immer ein Widerrufsrecht zu, über welches sie von dem Unternehmer belehrt werden müssen. Dieses ergibt sich aus § 312g BGB. Fernabsatzverträge sind Verträge, die nur über Fernkommunikationsmittel wie das Telefon oder E-Mails geschlossen werden und nicht unter gleichzeitiger Anwesenheit (§ 312c BGB). Bei sogenannten Haustürgeschäften wird der Vertrag nicht in einem geschäftlichen Raum geschlossen. In beiden Fällen sollen Verbraucher vor einem voreiligen Vertragsschluss geschützt werden.
Ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist eine natürliche Person, die etwas hauptsächlich zu ihren privaten Zwecken erwirbt. Unternehmer können gemäß § 14 BGB natürliche oder juristische Personen sein, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit handeln. Das Widerrufsrecht aus § 312g BGB gibt dem Verbraucher die Möglichkeit, einen Vertrag zu widerrufen und nicht mehr an die zuvor vertraglich vereinbarten Pflichten gebunden zu sein. Jedoch gibt es in § 312g Abs. 2 BGB Ausnahmen, nach welchen dem Verbraucher kein Widerrufsrecht mehr zusteht.
Immer wieder streiten Vertragspartner darum, ob dem Kunden als Verbraucher ein Widerrufsrecht bei Online-Kursen zusteht. Mit dieser Problematik hat sich auch das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil (OLG Hamm, Urteil vom 21.02.2013 – 4 U 135/12) auseinandergesetzt.
Sachverhalt (vereinfacht)
Der Beklagte hat im Internet einen Online-Kurs zum Thema „Sportbootführerschein“ angeboten, bei dem der Verbraucher selbst die Kursdauer bestimmen durfte. Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband wirft dem Beklagten vor, er habe seine Pflicht zur Widerrufsbelehrung verletzt. Wie bereits zuvor erklärt, finden sich in § 312g Abs. 2 BGB Ausnahmen, nach denen dem Verbraucher kein Widerrufsrecht zusteht. Der Beklagte ist der Meinung, sein Online-Angebot falle unter eine solche Ausnahme, genauer die des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB. Demnach liegt ein Verbraucherwiderrufsrecht nicht vor, wenn die zu erbringende Dienstleistung auf einen Tag oder Zeitraum festgelegt ist sowie den Zwecken des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB dient. Der Verbraucherschutzverband widerspricht dem.
Entscheidung des OLG Hamm – Keine Ausnahme vom Widerrufsrecht bei Online-Kursen
Das OLG ist zu folgendem Urteil gekommen: Bei Online-Kursen besteht grundsätzlich ein Widerrufsrecht, denn die Voraussetzungen für eine Ausnahme des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB ist nicht erfüllt. So handelt es sich zwar um eine Dienstleistung im Bereich der Freizeitgestaltung, jedoch fehlt es an der zeitlichen Fixierung des Termins sowie der Individualität.
Demnach kann der Verbraucher die Laufzeit des Vertrages selbst bestimmen; die Materialien werden ihm im Nachhinein zur Verfügung gestellt. Denn für den Beklagten, der die Materialien für den Verbraucher zur Verfügung stellt, das Hochladen der Materialien eine besonderen Anstrengungen dar. Er muss nicht für jeden einzelnen Kunden etwas Individuelles kreieren, welches Planung benötigt und zeitaufwendig ist.
Zudem sind die Interessen des Verbrauchers in diesem Fall schutzwürdiger. Denn der Verbraucher kennt vor dem Kauf des Online-Kurses die Materialien nicht. Aufgrund des zuvor erwähnten geringen Aufwands durch den Verbraucher ist dieser nicht schutzbedürftig.
Die Ausnahmefälle des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB greifen dann ein, wenn der Unternehmer für den Verbraucher etwas Individuelles schaffen muss und hierfür ein fester Zeitraum/ Tag terminiert.
Problematisch ist, dass der Kunde kurzfristig den Vertrag widerrufen könnte und es dem Unternehmer nicht mehr möglich ist, anderweitige Dispositionen zu treffen. Zudem besteht hier die Möglichkeit, dass der Unternehmer, um seine Leistung zu erfüllen, andere Kunden ablehnt, die möglicherweise nicht widerrufen hätten. Aufgrund dieser Unsicherheiten hat der Gesetzgeber in solchen Fällen ein Widerrufsrecht nicht vorgesehen. Ein Beispiel wären auch DJs für eine Hochzeit. Der Tag der Hochzeit ist bereits festgelegt und der DJ hat den Termin entsprechend geplant.
Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des OLG Hamm könnte bei Online-Kursen relevant sein, um festzustellen, ob dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht oder eine Ausnahme des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB vorliegt. Vor allem sind für den § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB die Individualität und zeitliche Fixierung als Gründe relevant. Erst wenn diese erfüllt sind, liegt kein Verbraucher-Widerrufsrecht vor. Zudem kann es dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gewähren, bspw. in Coaching-Verträgen aller Art, in denen ein Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer vorliegt, das Widerrufsrecht aber nicht belehrt wurde. Denn auch hier wird das Material dem Käufer meist erst nach Vertragsschluss zur Verfügung gestellt. Ob man Coaching-Verträge widerrufen kann, ist aber eine Frage des Einzelfalls.
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Dieser Beitrag wurde von Sanjana Epple im Rahmen ihres Pflichtpraktikums in der Rechtsanwaltskanzlei Krämer verfasst.
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